Urkunden
Urkunden
Vermeintlich älteste Urkunden waren Fälschungen
Lessenich war einst im Besitz der Trierer Abtei St. Maximin, Von Klaus Krüger
Der Ortsname Lessenich gehört zum ältesten Ortsnamensbestand innerhalb des Stadtgebietes Mechernich. Bei seiner Bildung in gallo-römischer oder späterer Zeit bezeichnete er wahrscheinlich das Hofgut eines Licin oder Li-cinus, dessen Personennamen als Örtlichkeits-bezeichnung die Nachsilbe »iacum« oder »inia-cum« angefügt wurde. Die Sprachwandlungen in der Folgezeit formten den Personennamen zu »Lesse« und die ihm angefügte Nachsilbe zu »nich« um.
Trotz der eindeutig nichtfränkischen Herkunft des Ortsnamens ist die Siedlung Lessenich archäologisch erst in der Frankenzeit faßbar. Den Ursprung bildete eine größere fränkische Hofanlage, ein sogenannter Herrenhof, der sich unterhalb der Kirche befunden haben muß. Wie Bodenfunde ausweisen, hat die Siedlung schon gegen Ende des 7. Jahrhunderts bestanden. Sowohl die Lage des Hofes im Bereich um die heutige Stephanusstraße als auch seine Fortentwicklung zum Lessenich der ältesten überlieferten Urkunden wird durch archäologische Belege erhärtet.
Die ersten schriftlichen Erwähnungen Lessenich erscheint erstmals im Jahre 1023 in der schriftlichen Überlieferung, und zwar gleich in zwei Urkunden der reichen Trierer Abtei St. Maximin. In diesen Urkunden wird Lessenich als »Liezniha« und »Lieznih« bezeichnet.
Die älteste der beiden Urkunden trägt das Datum vom 30. November. Nach dieser Urkunde erhielt Kaiser Heinrich II. umfangreiche Besitzungen des Klosters St. Maximin. Der Kaiser belehnte damit den dem Luxemburger Grafengeschlecht entstammenden Herzog Heinrich von Bayern, den rheinischen Pfalzgrafen Ezzo (dessen Stammsitz die Tomburg bei Rheinbach war) und einen nicht mit Sicherheit zu identifizierenden Grafen Otto. Als Gegenleistung verpflichteten sich die Belehnten zu Kriegsdiensten. Unter der Vielzahl der in dieser Lirkunde genannten Orte und Höfe findet sich auch »Liezniha«.
Am 10. Dezember urkundete der Kaiser erneut für die Abtei. In diesem Dokument erscheint Lessenich in der Form von »Lieznih«. Eine auf den 25. Juli 1044 datierte Urkunde nennt wiederum »Lieznih«. In ihr stattete König Heinrich Hl. seine Gemahlin mit der Abtei St. Maximin aus, und er bestätigte der Abtei nicht nur ihre »Freiheiten und Besitzungen«, sondern er gewährte ihr auch neue. In einer Urkunde vom 16. Januar 1051 wird der Ort »Leiznih« genannt, und in einer weiteren vom 13. Juli 1066 erscheint er erneut als »Lieznih«.
In die Zeit des 11. Jahrhunderts ist auch eine Eintragung im ältesten Nekrolog der Abtei St. Maximin zu datieren, nach der Graf Giselbert von Luxemburg dem »heiligen Maximin« (d. h. dem Kloster) »Lezenihe« geschenkt hat. Unter Nekrologien versteht man kalenderartige Verzeichnisse der Namen von verstorbenen Mitgliedern christlicher Gemeinschaften und der mit ihnen verbundenen Personen für die an ihrem Todestag stattfindende Gedächtnisfeier. Auch im folgenden Jahrhundert nennen Urkunden Lessenich und bezeugen damit die Existenz des Ortes. Kaiser Heinrich V. verfügte am 2. Mai 1107 die Rückgabe einiger Güter an die Abtei, die sich Heinrich l. von Limburg widerrechtlich angeeignet hatte. Darunter befand sich auch ein Gut in »villa Leznih«. Am 6. Mai 1140 bestätigte Papst Innozenz II. der Abtei den Besitz von »Leccenic cum aecciesia« (Lessenich mit der Kirche) in der Erzdiözese Köln.Schließlich blieb noch eine Urkunde des Erzbischofs Arnold von Trier aus lern Jahre 1169 erhalten, in der sich die Abt^ mitGodefridusde Ciuele (Gottfried von Zievel) wegen der Vogtei über die Güter und das Patronat der Kirche zu »Lezenich« einigte.
Dabei ist anzumerken, daß das »z« der Urkunden als »s« gesprochen wurde. Zieht man dies ’n Betracht, kommen die alten Namensformen dem heutigen Ortsnamen bereits sehr nahe.
Nun hat sich aber herausgestellt, daß außer dem Nekrolog alle hier angeführten Urkunden
aus dem 11. Jahrhundert sowie die Urkunde vom 2. Mai 1107 Fälschungen aus der Zeit um 1116 sind. Darin stimmen die Fachwissenschaftler überein. Unterschiedliche Auffassungen bestehen jedoch über mehrere Details dieser Fälschungen. E. Wisplinghoff geht z. B. 1970 in seinen »Untersuchungen zur frühen Geschichte der Abtei St. Maximin bei Trier von den Anfängen bis etwa 1150« aufgrund inhaltlicher Kriterien davon aus, daß die Besitzlisten der seiner Ansicht nach auf echten Vorlagen beruhenden Fälschungen auch diesen Vorlagen entnommen wären.
T. Kölzer kommt in den 1989 erschienenen »Studien zu den Urkundenfälschungen des Klosters St. Maximin von Trier, 10. bis 12. Jahrhundert« zu gegenteiligen Erkenntnissen. Er nimmt an, daß die Besitzlisten in den gefälschten Urkunden nicht originalen Vorlagen folgen, »sondern vom Fälscher ohne erkennbares System jeweils neu zusammengestellt wurden«.
Die Diskussion über Zeitpunkt und Motiv der Fälschungen wird weitergehen; aber unabhängig davon, wie sie letztlich ausgehen wird, kommt den gefälschten Urkunden ein Aussagewert zu. Diese Ansicht vertritt auch T. Gießmann in seiner 1990 erschienenen Veröffentlichung »Besitzungen der Abtei St. Maximin vor Trier im Mittelalter«. Gießmann weist darauf hin, daß die Besitzlisten der frühen (gefälschten) Königs- und Papsturkunden für die meisten Besitzungen die Erstbelege liefern, was ja auch für Lessenich zutrifft. Allerdings seien gerade diese Besitzlisten im besonderen Maße und ohne echte Vorlagen gefälscht worden. Dies lasse jedoch keinesfalls den Schluß zu, die in den Besitzlisten genannten Orte seien falsch und zu Unrecht dort aufgeführt. Seine Begründung: »Auch die formal gefälschten Besitzlisten oder auf solchen Vorlagen beruhenden Besitzlisten haben einen Aussagewert als Quelle. Sie basieren auf uns nicht mehr bekannten Vorlagen im Archiv von St. Maximin, und dolose (=auf arglistige Täuschung gerichtete) Absicht des Fälschers muß erst bewiesen werden.«
Zur Ergänzung kann noch ein weiterer wichtiger Anhaltspunkt angeführt werden: Die meisten der in den gefälschten Urkunden aufgeführten Orte treten in der späteren, als echt erwiesenen schriftlichen Überlieferung des Klosters immer wieder in Erscheinung. Das gilt auch für Lessenich, dessen Kirche noch in einer Urkunde vom Ende des 17. Jahrhunderts als Besitz der Abtei erwähnt wird.
Urkundenfälschungen waren damals nicht selten, und die Trierer Abtei St. Maximin – das wahrscheinlich im 7. Jahrhundert entstandene und wohl älteste Benediktinerkloster auf deutschem Boden – soll, neben den Klöstern Reichenau und Fulda, die Stätte der umfangreichsten mittelalterlichen Urkundenfälschungen in Deutschland gewesen sein.
Bei einer Gruppe von gefälschten Urkunden handelt es sich um die Karolingerurkunden, die das Kloster um 950 benötigte, um sich mit Unterstützung von Papst und König gegen den Zugriff des Trierer Erzstiftes als Reichskloster behaupten zu können. Die Fälschungen aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts, zu denen auch Lessenich betreffende Urkunden gehören, entstanden als Reaktion der Mönche auf die rechtswidrigen Eingriffe der salischen Kaiser in die Rechtsgrundlagen und Vermögenssubstanz der Abtei. Dieses Fälschungswerk lohnte sich jedoch nicht; denn nur etwa 25 Jahre später büßte das Kloster, das sich zu einem der reichsten des fränkischen und später des deutschen Reiches entwickelt hatte, seine Sonderstellung als Reichskloster ein, indem es dem Erzbischof von Trier übergeben wurde und damit seine bisherige Bedeutung verlor.
Ständige Verwechslungen
Weitaus mehr als durch die Fälschungen wird die frühe Ortsgeschichte von Lessenich durch die zahlreichen voneinander abweichenden Zuordnungen der urkundlichen Belege verunsichert. In den Quelleneditionen und in der Literatur ist festzustellen, daß die Identifikation insbesondere für Lessenich – Ortsteil der Stadt Mechernich – und Lessenich bei Bonn ganz und gar durcheinandergehen. Einige Beispiele mögen dies verdeutlichen. In den Veröffentlichungen von G. Mürkens (»Die Ortsnamen des Kreises Euskirchen«) und von P. Clemen (»Die Kunstdenkmäler des Kreises Euskirchen«) sowie im Handbuch des Erzbistums Köln wird die in den ältesten Urkunden erwähnte Siedlung mit Lessenich/Mechernich
gleichgesetzt. In der jüngeren Abhandlung von E. Wisplinghoff, in der die Geschichte der Abtei St. Maximin umfassend behandelt wird und in der zahlreiche Belege zu Lessenich erwähnt sind, geschieht die Zuordnung zu Lessenich/ Bonn. Für gänzliche Verwirrung sorgen die Register zu den in den Anmerkungen erwähnten Diplomata-Bänden, in denen in den meisten Fällen der Siedlungsname als Liesenich/Zell an der Mosel identifiziert wird. Diese Beispiele ließen sich noch fortsetzen.
Um zu begründeten und haltbaren Zuordnungen zu kommen, bietet sich als einzig sinnvoller Weg an, den lokalen Kontext der Urkunden in die Betrachtung einzubeziehen und dabei vor allem der Besitz- und Kirchengeschichte der Orte Lessenich/Mechernich und Lessenich/ Bonn Aufmerksamkeit zu schenken.
Den Maximiner Urkunden des 12. Jahrhunderts ist zu entnehmen, daß das in ihnen genannte Dorf Lessenich in der Kölner Diözese lag. Da Liesenich/Zell an der Mosel zur Trierer Diözese
gehörte und dort zu keiner Zeit Besitz des Klosters St. Maximin ermittelt werden konnte, scheidet dieser Ort als Bezugsort auch für die Urkunden des 11. Jahrhunderts gänzlich aus. Lessenich/Bonn wird 787/788 in einer Urkunde für das Bonner Cassiusstift als »Lezzenich« erstmals genannt, ein zweites Mal noch im 8. Jahrhundert in der Namensform »Laciniacho« 794/95. Neben dem Stift hatte der König hier Besitz. Im Jahre 864 vertauschte König Lothar II. diese Güter gegen andere Besitzungen. In der darüber errichteten Urkunde heißt es: »…in pago Bunninse in loco nuncupante Lezze-nicha . . .« (in einem Ort im Bonngau, der Les-senich genannt wird).
Schon hier sei angemerkt, daß Lessenich/Me-chernich im karolingischen Zülpichgau lag. Die Kirche in Lessenich/Bonn ist vielleicht eine Gründung auf königlichem Besitz und wahrscheinlich die älteste Landkirche im Bonner Raum. Sie wird in einer Urkunde Papst Inno-zenz‘ II. 1131 erstmals erwähnt. In diesem Beleg wird die Kirche in Lessenich/Bonn mit ihren Kapellen als ein Besitz des Cassiusstiftes bestätigt (»ecciesia Lezzenich cum capellis et de-cimis ad eam pertinentibus . . .« = die Kirche in Lessenich mit ihren Kapellen und dem Zehnt, der zu dieser gehört). 1385 wird die Pfarre dem Stift angegliedert. Für das hohe Alter der Kirche spricht die Tatsache, daß sie einst Mutterkirche von Alfter, Roisdorf, Duisdorf, Gielsdorf und Oedekoven war. 1805 wurde die Kirche anstelle der ehemaligen Klosterkirche Marienforst zur Hauptpfarrkirche im Kanton Bonn Land erhoben, wohl weil sie die bedeutendste des Kantons war. Heute gehört sie zum Dekanat Alfter. Aus diesen Daten ergibt sich, daß sich die Identifikation der in den Maximiner Urkunden des 11. Jahrhunderts genannten Ortschaft Lessenich mit Lessenich/Bonn nicht aufrechterhalten läßt. Darüber hinaus ist festzustellen, daß die Kirche in Lessenich/Bonn ungefähr zu der Zeit als Besitz dem Bonner Cassiusstift bestätigt wird (1131), in der in einer für St. Maximin ausgefertigten Urkunde (1140) eine Kirche in der Ortschaft Lessenich erwähnt ist, die nur eine Kirche in Lessenich/Mecher-nich gewesen sein kann. Besitzbeziehungen zwischen dem Cassiusstift und der Abtei St. Maximin bestanden nämlich vor und nach dieser Zeit nicht.
Aus der erwähnten Restitutionsurkunde von 1107 ergibt sich, daß sich ein Herzog Heinrich in Lessenich Güter des Klosters St. Maximin angeeignet hatte, die er diesem zurückgeben mußte. Es herrscht die Meinung vor, bei dem ohne nähere Angaben zur Person genannten Herzog Heinrich handele es sich um den Herzog Heinrich von Limburg. Dieser Auffassung neigt in der jüngeren Literatur auch E. Wisplinghoff in der schon erwähnten Untersuchung zu.
Im gleichen Jahr, in dem die Maximiner Urkunde ausgestellt wurde, soll in einer anderen Urkunde die in der Nähe von Lessenich/Mecher-nich gelegene Burg Zievel als ein Allod der Lim-burger Herzöge erwähnt sein. Dies wird in Abhandlungen über Zievel seit der letzten Jahrhundertwende stets mitgeteilt. Es fehlen jedoch Angaben über den Verwahrungsort dieser Urkunde, der trotz intensiver Bemühungen bisher nicht ausfindig zu machen war. Diese Urkunde könnte ein weiteres Indiz liefern für die Annahme, daß sich die Maximiner Urkunde von 1107 auf Lessenich/Mechernich bezieht.
Urkunde von 1169 bringt letzte Sicherheit
Letzte Sicherheit über Besitz und Rechte der Abtei St. Maximin in Lessenich/Mechernich bringt die Auswertung der schon zitierten Vergleichsurkunde aus dem Jahre 1169. Aus dieser geht hervor, wie der Trierer Erzbischof einen Streit zwischen Godefridus de Ciuele (Gottfried von Zievel) und der Abtei um die Klostergüter zu »Lezenich« und das Patronat über die dortige Kirche schlichtete.
Gottfried war Lehnsträger Heinrichs von Limburg und nannte sich, damaligem Brauch gemäß, nach seinem Wohnsitz, der Burg Zievel. Er war Vogt über die Besitzungen der Abtei in Lessenich und hatte mehrere Güter von dieser zu Lehen. Dafür mußte er jährlich 15 Solidi (= Schillinge) kölnischer Münze an die Abtei entrichten. Dieser Verpflichtung kam Gottfried von Zievel über mehrere Jahre nicht nach. Zu seiner Entschuldigung gab er an, daß er »sowohl wegen der Armut der Leute zu Lessenich als auch wegen der Verwüstung des Landes« den Betrag nicht habe zahlen können. Der Abt konnte sich den Argumenten des Vogtes offensichtlich nicht verschließen, denn er senkte die Abgabe von 15 auf 9 Schillinge jährlich. Dieser Teil der Urkunde läßt erahnen, in welch ärmlichen und unsicheren Verhältnissen die ländliche Bevölkerung damals lebte.
In dem Vergleich wird auch das Patronat der Abtei St. Maximin über die Kirche in Lessenich/Mechernich bestätigt. Der Vogt hatte behauptet, das Patronatsrecht stünde ihm zu. Diese Behauptung konnte er nicht aufrechterhalten, denn er erkannte in der Urkunde das Besetzungsrecht (Patronat) der Abtei an der dortigen Kirche an. Wörtlich heißt es: »Ebenso das Patronat der genannten Kirche (Lessenich/Mechernich), welches er (Gottfried von Zievel) sich zuzuschreiben bemühte, hat er dem Abte, wie es billig war, freigegeben und vor uns (dem Bischof) und den Brüdern, vor Freunden und Verwandten, die zahlreich anwesend waren, anerkannt, daß ihm in bezug auf das Patronat gar kein Recht zustehe.« Die Urkunde trägt das Siegel Arnolds, des Erzbischofs von Trier. Zeugen waren: Rudolfus, Propst der Hauptkirche zu Trier, Johannes, De-chant (ein Verwandter Gottfrieds), Folmarus, Archidiakon, Reinerus von Turm u. a.
Die Urkunde von 1169 erbringt indirekt den un-bezweif elbaren Nachweis über Besitz und Rechte der Abtei St. Maximin in Lessenich/Mechernich auch schon vor dieser Zeit. Sie nimmt jeden Zweifel daran, daß die erwähnte Nekrolognotiz aus der Mitte des 11. Jahrhunderts sich in der Tat auf Lessenich/Mechernich bezieht. Diese Notiz stellt demnach die erste nicht gefälschte, allerdings undatierte Nennung des Ortes dar. Gleichzeitig wird der Inhalt der Papsturkunde vom 6. Mai 1140 bestätigt, so daß diese Urkunde als erste exakt datierbare Erwähnung des Ortes und der dortigen Kirche in einem ungefälschten Beleg zu gelten hat.
Wer stiftete die Klostergüter?
Es interessiert nun gewiß die Frage, wie die Abtei St. Maximin in den Besitz von Gütern in dem doch für damalige Verhältnisse fern von ihr gelegenen Ort geraten sein mag. Schon lange wurde fast ausschließlich die Ansicht vertreten, Bruno und Mechtildis von Hengebach (Heimbach) hätten die Klostergüter gestiftet. Das Heimbacher Grafengeschlecht hatte nämlich umfangreichen Besitz in der hiesigen Gegend, der im Erbweg an Heinrich von Limburg überging. Weil dieser aber im 12. Jahrhundert Zievel besaß und sein dort sitzender Vasall für ihn die Vogteirechte über die Maximiner Güter in Les-senich wahrnahm, kam es zu der Annahme, auch sie entstammten dem Besitz der Heimbacher.
Der bisher vertretenen Theorie ist jedoch aus folgenden Gründen zu widersprechen: In dem schon zitierten ältesten Nekrolog der Abtei, einer Handschrift aus dem 10. bis 11. Jahrhundert, ist vermerkt, Graf Giselbert von Luxemburg habe dem heiligen Maximin (d. h. dem Kloster) u. a. »Lezenihe« (Lessenich) übertragen. Die Übertragung der Güter an die Abtei kann nur während der Amtszeit des Grafen Giselbert zwischen 1047 bis 1059 geschehen sein. Ob auch schon ein Vorgänger Giselberts Einzelbesitz dem Kloster stiftete, konnte nicht sicher geklärt werden. Hierauf deuten die -wenn auch gefälschten – Urkunden von 1023 und 1044 hin.
Wie dem auch sei, wir können mit Gewißheit davon ausgehen, daß nicht die Heimbacher, sondern die Luxemburger ursprünglich Lessenich besaßen und diese ihre Besitzung der Trierer Abtei schenkten. Erstaunlicherweise ist die für die Ortsgeschichte von Lessenich wichtige Quelle bisher nicht berücksichtigt worden, obschon der Nekrolog bereits 1876 in den Bonner Jahrbüchern im Druck erschien und auch im Luxemburger Urkundenbuch aufgeführt ist. Fast zwangsläufig stellt sich die Frage nach dem Motiv für die Stiftung. Es ist naheliegend, dieses in den sehr engen Beziehungen des Luxemburger Grafengeschlechts zur Abtei St. Maximin zu sehen. Die Abtei war damals gleichsam das Familienkloster der Luxemburger. Die Grafen und späteren Herzöge waren seit Ende des 10. Jahrhunderts ständig die Obervögte des Klosters und bedachten es in allen Generationen mit Schenkungen. Dies ist ein weiterer Anhaltspunkt dafür, daß die gestifteten Güter in Lessenich weitaus eher von den Luxemburgern stammen können als von den Heimbachern, die keine direkten Beziehungen zum Trierer Kloster unterhielten.
Die Abtei behielt nur die Kirche
Es verwundert sehr, daß in dem auf die Urkunde von 1169 folgenden Maximiner Beleg, dem Urbar von 1200, für die Abtei im Dort Lessenich nur noch die dortige Kirche (»ecciesiam de Lezenich«) verzeichnet ist. Hieraus muß auf den Verlust des gesamten übrigen Besitzes des Klosters im Ort während einer verhältnismäßig kurzen Zeitspanne von nur rund 30 Jahren geschlossen werden.
Über die Ursachen für den Verlust der Güter und Rechte fehlt jegliche Kunde. Fest steht nur, daß sich in dieser Zeit die Besitzverhältnisse an Burg Zievel änderten. Um 1190 verkaufte nämlich Heinrich III. von Limburg Zievel mit anderen Gütern an den Kölner Erzbischof Philipp von Heinsberg.^Ein Zusammenhang zwischen diesem Ereignis und dem Güterverlust der Abtei ist durchaus denkbar. Die Einbuße des Besitzes war diesmal für St. Maximin endgültig, denn in allen aus der Zeit nach 1169 erhalten gebliebenen Urkunden der Abtei ist auch nicht mehr andeutungsweise von Gütern in Lessenich die Rede, sondern nur noch von der dortigen Kirche.
Der Besitz von Zievel mit Lessenich war für die Kölner Erzbischöfe nur von kurzer Dauer. Bereits 1234 war Zievel wieder eine freie Herrschaft und gehörte den Herren von Daun, die sich später »von Zievel« nannten. Wiederumgibt es keine Hinweise auf Anlaß und Motive für diesen Besitzwechsel. Die Herren von Daun waren Vasallen der Grafen von Julien, und Zievel mit Lessenich (und später auch Rißdorf) war eine Jülicher Unterherrschaft geworden. Die Lessenicher Kirche tritt nach dem Urbar von 1200 noch in mehreren Urkunden in Erscheinung. Eine Nachricht stammt vom 14.7.1237. Diesmal ist es Erzbischof Theodor von Trier, der erneut einen Streit wegen des Patronatsrechts zu »Leschenich« (gemeint ist Lessenich) zwischen den damaligen Besitzern der Burg Zievel, den Brüdern Richard und Heinrich von Daun, und dem Abt beilegte. Die Beteiligten einigten sich in der Weise, daß die Herren von Daun im Wechsel mit dem Abt von St. Maximin die Pfarrer von Lessenich vorschlagen sollten. Die beiden Brüder aber erkannten zugleich an, das Patronatsrecht vom Abt zu Lehen zu tragen. g Nach einer am 12. 10. 1316 ausgestellten Urkünde war das Patronatsrecht der Erben der Herren von Zievel noch immer ein Maximiner Lehen.
Danach schweigen die Maximiner Quellen für zwei Jahrhunderte. Erst in zwei Güter-Kopiaren von 1513 und 1516 wird unter den Besitz- und Kirchenrechten in der Eifel auch die Kirche in Lessenich wieder genannt. Zwischen 1518 und 1527 verfaßte der Mönch Johannes Scheckmann im Auftrage seines Abtes einen Überblick über die Lehenrechte der Abtei.Dieser Lehenspiegel, der der Sicherung des weitgestreuten Besitzes der Abtei diente, zeigt in kurzer Form auf, welche Lehnsleute an welchen Orten Lehen innehatten, welche Ämter damit verbunden und mit welchen Gütern die Lehen dotiert waren. Außerdem wies er nach, wie sich die Nachfolge der Lehnsinhaber verändert hatte. Im Lehenspiegel selbst ist der Ort Lessenich nicht erwähnt, weil die Abtei ihren Güterbesitz dort schon drei Jahrhunderte zuvor verloren hatte. Aber in einem ihm beigefügten Verzeichnis »Collationes ecciesiarum« (Kolla-turrechte zur Besetzung von Kirchenämtern), das entsprechend der Kirchenorganisation gegliedert ist, wird unter der Diözese Köln »Les-seniche« genannt.
Bereits vorher, in dem um 1308 verfaßten Liber Valoris, einem nach Dekanaten unterteilten Einkommensverzeichnis der zur Diözese Köln gehörenden Kirchen, erscheint die Kirche in Lessenich in der heutigen Namensform. Die letzte Maximiner Nachricht über die Kirche in Lessenich stammt vom Ende des 17. Jahrhunderts. In dieser Zeit wurden die Archiv- wie auch die Güterverwaltung des Klosters neu geordnet und eine Bestandsaufnahme aller Besitzdokumente veranlaßt. Abschriften von diesen Dokumenten füllten 15 Bände des sogenannten Archivium Maximinianum, das heute vollständig in der Trierer Stadtbibliothek aufbewahrt wird. Die Lessenich betreffenden Dokumente sind im Band VIII unter »Lessenich in pa-tria Coloniensi« verzeichnet.
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